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Lach nicht
- oder, eine transparente Reflektion

Kennst Du das: in einer Situation, die Dich zum Lachen reizt sagt Dein Gegenüber (mit mehr oder weniger enthaltenem Lachen in der Stimme) "Lach nicht". Er/sie meint damit in aller Klarheit "ich verbiete Dir jetzt zu lachen, weil ich Dein Lachen nicht verstehe und es mir gerade gar nicht zum lachen ist". Oder, gibt es noch eine andere Perspektive, die ich jetzt noch nicht sehen kann?

Aus meiner angestrebten Weltsicht des klaren Wortes gibt es zur Zeit nur diese Interpretation, doch um mein Lernen und Wachsen (meine Entwicklung) zu fördern, bis ich die ganze Wahrheit klar vor mir sehen kann, habe ich die betreffende Person befragt. Heraus gekommen ist: er/sie hatte sich verspottet gefühlt und konnte in diesem Moment nur ein kleines bisschen über sich selbst lachen.

Auf jeden Fall hat meine Persönlichkeit in besagter Situation, geboren aus der Freude am Lachen; geboren aus der Freiheit, die ich mir selbst schenkte; aus dem Wohlgefühl des "ich bin ich" und des hemmungsfreien Selbstausdrucks, noch einen drauf gesetzt in dem ich anfangs noch lachend sagte "ich lasse mir niemals wieder von Dir mein Lachen verbieten. Niemals wieder!". Oh, wie herrlich sich das angefühlt hat, so kraftvoll, so machtvoll - einfach wunderbar und befreit.

Wie so oft (oder gar immer?) in solch befreienden Momenten, habe ich danach von meiner Umwelt mehr oder weniger heftige Reaktionen erhalten, die allesamt unangenehm für mich waren. Mein Mitmensch sprach mich an diesem Tag noch an. Teilte mir mit einem sehr verletzlichen Ausdruck mit (äußerlich sichtbar durch Tränen in den Augen), dass sie sich von mir durch meine Aussage "angefahren gefühlt habe" und das sie das verletzt hat. Und, weil sie keine Unstimmigkeiten "hier" haben wolle, hatte sie gemeint, ich solle es in Zukunft lassen, sie so anzufahren.

Also, hat mein Gegenüber mein hemmungsfreies Verhalten mit Verletzung aufgenommen, obwohl ich eine Verletzung nicht beabsichtigte.
Ist das wirklich so?
Es gab sehr viele "Lach nicht" - Momente im Zusammenleben mit diesem, mir sehr nahestehenden Menschen. Kann ich mich von unterschwelligen Racheakten für all diese Momente meines Lebens, in denen ich mir selbst aufgrund der Aussage "Lach nicht" mein weiteres Lachen verboten hatte, wahrhaft frei sprechen? Hmmm... anscheinend ja, denn ich finde bei meinem Reflektieren weder entsprechende Gedanken, noch Gefühle.

Na, auf jeden Fall weiß ich, dass ich in diesem Moment eine ganz bewusste Grenze gezogen habe. Eine Grenze der Anerkennung für mich selbst. Ich habe mir in diesem Moment mein Lachen weiterhin erlaubt (obwohl die Reaktion meines Mitmenschen mich zur Vorsicht mahnte) und habe damit meinen Selbstausdruck vollkommen bejaht (d.h. ich habe mich für mich entschieden, bin bei mir geblieben, anstatt wie sonst der Vorsicht nachzugeben und aus Rücksicht einem anderen zuliebe mich zurück zu nehmen). Ich habe in meiner Freude gebadet und machtvoll eine Feststellung ausgesprochen, ohne Rücksicht auf irgend was, oder irgend jemanden sonst. Das war in dieser Situation wichtig für mich, denn ich nutzte die Rücksicht früher eher wie ein Schutzprogramm. Damals habe ich für gewöhnlich mein Gegenüber gescannt, um zu erfassen, was erlaubt ist, damit ich jeglicher Konfrontation (die für mich stets schmerzhaft waren) ausweichen konnte.

Nun hat mein Mitmensch auf meinen Selbstausdruck mit Verletzung reagiert und sich später mit einer Schuldzuweisung und Machtanspruch (im Sinne von Hausrecht und Erziehung) zu helfen versucht. Das löste in mir einen schmerzhaften Konflikt aus. Meine Charakterstruktur hat u.a. die Eigenschaft, jegliche Form der "Nicht-Anerkennung" als Kritik an mir selbst aufzufassen. Meine Wahrnehmung "verschiebt" die Realität und schon bin ich davon überzeugt, dass etwas an mir, oder meinem Tun falsch war - also ein fruchtbarer Boden für die Annahme der ausgesprochenen Schuldzuweisung. Die angebliche "Selbstkritik" 
(bedenke, die "Nicht-Anerkennung" kann auch aus ganz andere Gründen ausgedrückt worden sein) wiederum wurde von mir wie eine Bedrohung erfahren, welche in der Vorstellung von Verrat, dem Schmerz und Leid folgen werden, gründete.

Dieser Verrat muss nicht unbedingt durch einen Mitmenschen kommen (obwohl er durchaus leicht nach außen gespiegelt werden kann), sondern ich spreche jetzt vom Verrat an mir selbst. Das möchte ich hier etwas ausfühlicher beschreiben: in dem Moment, wenn ich mich verbiege, um es meinem Gegenüber "recht zu machen", verrate ich mich selbst. Anstatt ausgerichtet auf mich selbst zu sein und zu bleiben, mache ich es dem Anderen recht (oder ordne mich unter) und höre ihm zuliebe z.B. auf zu lachen. Danach "ersticke" ich sowohl an der gestauten Lach-Energie, als auch daran, dass ich nicht sein darf, wer und wie ich gerade bin. Das schwingt auch sofort als Frage in meinen Systemen und verdichtet sich dort bis zur fühlbaren Hinterfragung meiner Person. Das Hinterfragen wiederum führt zu Gefühlen von "den Boden wegziehen", "keine Sicherheit in der Welt", "falsch sein/Schuld haben" und festigt sich in Unsicherheit und Selbstablehnung. Die der Unsicherheit/Selbstablehnung folgenden schmerzhaften Gedanken und Gefühle sind für mich nur sehr schwer zu ertragen und das führt zu einer Abwehrhaltung. Um den Kreislauf zu schließen sei noch ergänzt, dass ich um der so entstandenen Aggression auszuweichen das salonfähige Gefühl von Ohnmacht nutze. Diesem Ohnmachtsgefühl folgt dann Wut und Groll auf die Welt mit meinen entsprechenden Reaktionen (abhängig von der Tagesform) darauf...

Beeindruckend, gell? *schmunzel*

Dies alles einem Menschen zu erzählen, der gerade verletzlich ist und die transparente Reflektion noch nicht kennen gelernt hat, bringt nur Unverständnis und weitere Konflikte. Ebenso wenig fruchten Verteidigungsmechanismen (z.B. die Erwähnung, dass ich nun erwachsen/selbstständig bin...). Für das Erreichen von Harmonie, setze ich das wahrhafte Wissen um mich selbst ein (siehe z.B. auch Rollendenken), d.h. ich habe mich schon selbst "abgeholt" wo ich stehe und kann deshalb die laufenden Mechanismen überblicken und beeinflussen. Gepaart mit dem Erkennen meiner und den Verhaltensmustern meines Gegenübers, kann ich dann sanft die erlösenden Worte sagen, welche den/die Konflikt/e beenden. Zum Beispiel: "es lag nicht in meiner Absicht Dich zu verletzen", "ich habe gar nicht bemerkt, dass ich Dich angefahren habe". Achte dabei darauf, Deinen Erwartungshaltung/en zu entsagen, denn von einem Menschen in einem verletzlichen Selbstausdruck kann in diesen Momenten nichts aufbauendes kommen.
Zu einem späteren Zeitpunkt, wenn die Verletzlichkeit überwunden ist, kannst Du damit beginnen, dem anderen zu erklären, dass er/sie die Verantwortung trägt, sich um seine Verletzung zu kümmern (siehe Verletzung) und dass Schuldzuweisungen zwar eine kurze Erleichterung bringen, jedoch nicht wirklich helfen können.

Möge die Transparenz meiner Reflektion für Dich hilfreich und aufbauend sein, zum Wohle für uns alle.

Leben und Lieben
Brigitte CH'AN*KA*RII