Elternliebe
Dieser Text ist im
Februar 2005 entstanden und spiegelt meine damalige unterschwellige Wut
auf meine Eltern gut wieder. Inzwischen wohne ich bei meinen Eltern. Nach dem Aufarbeiten vieler
Mißverständinisse, dem Heilen alter Wunden und dem
erfolgreichen Abgrenzen und Vertreten meiner Person, leben wir seit
2010 mit Liebe und Freude miteinander.
Falls Du jetzt gerne an Deinem Elternthema arbeiten möchtest,
lade ich Dich herzlich ein, diesen Text zu lesen, Deine
Gefühle wahrzunehmen und für Dich Vergangenes auf
Deine Art und Weise aufzulösen.
*
‚Mein
liebes Kind, du
wirst immer unser Kind bleiben.’
Dieser Satz ist so
vollkommen. Er kann im positiven, wie im negativen Sinne verstanden
werden! Die Absicht dahinter, und die dadurch resultierende
Betonung entscheidet Deine Resonanz.
‚Die
einzige Freundin in
deinem Leben werde ich, deine Mutter sein.’
Oh weh,
dem Kinde, dessen Mutter dieser Meinung ist. Sie wird alles daran
setzten das
Kind festzuhalten.
‚Warum
meldest du dich
nicht?’ Das kennen
viele Kinder – die Verpflichtung
die Eltern an ihrem Leben teil nehmen zu lassen – ob sie
wollen, oder nicht.
‚Ich
dachte ich rufe halt
mal an, es ist jetzt schon soundsoviel Tage her, als wir das letzte mal
miteinander gesprochen haben. Wenn der Prophet nicht zum Berg kommt,
dann muss
der Berg halt zum Propheten kommen.’
Das geht kaum
klarer, oder? Du
hast viel zu lange auf deinen
Anruf warten lassen – also wirklich, du solltest Dich
schämen! Jetzt habe ich
angerufen, weil du es unterlassen hast. Also dann fühle dich
jetzt mal so
richtig schuldig, damit ich meine Forderungen auch von dir
erfüllt bekomme...
Manchmal will das Kind sich
zurückziehen.
Es will für
sich selbst sein.
Dauert es den Eltern
zu lange,
dann glauben sie sich vernachlässigt.
Das Spiel der
Schuldzuweisungen beginnt.
Die Eltern fragen
sich, was sie
falsch gemacht haben könnten.
Die Eltern vermissen
etwas, das
ihnen ihr Kind gebracht hat.
Unbewusst wollen sie
‚es’
wieder haben.
Meistens holen sich
die Eltern
dass Vermisste auf gewohnte Art und Weise.
In meinem Fall durch
emotionale Erpressung, die in mir als Druck wahrzunehmen ist. Setze
ich mein Kind nur genug unter Druck, dann wird es nachgeben –
wie in der
Vergangenheit auch. Meine Eltern sind sich dessen nicht
bewusst. Sie würden
sich niemals ihre wahren Beweggründe eingestehen, das
währe zu schmerzhaft.
Also verdrängen sie alles und machen sich vor, das Kind aus
Liebe, oder aus
Sorge um sein Wohl und damit zu seinem Besten auszufragen.
Schließlich
haben die Eltern ihr
ganzes Leben für das Kind gegeben, also warum damit
aufhören? Liebe Eltern
lasst eure Kinder los!
Das Kind ist wie
immer der Spiegel
der Eltern. Je mehr ein Kind unter Druck gerät, desto mehr
setzt es sich zur
Wehr – in seiner Art. Braucht ein Kind Ruhe, wird es den
Abstand vergrößern
und sich dadurch den Wünschen der Eltern entziehen.
Das wollen die
Eltern verhindern,
also kommt die Schuldfrage hoch. ‚Wir haben
alles für dich getan –
und was haben wir davon? Wir haben es doch immer gut mit dir gemeint.’
Und so vieles davon mehr...
Die eigentlichen Botschaften
hinter diesem Verhalten?
Meiner Meinung nach
– hab uns
bitte lieb. Wir haben dich doch auch lieb. Bitte schenke uns auch
weiterhin
deine Wärme und Liebe. Wir brauchen sie so nötig.
Natürlich
fühlt dies das Kind.
Meistens ist es auch für den ersten Schritt bereit. Nun liegt
es an den Eltern,
wie sie auf den ersten Schritt des Kindes reagieren. Meinen sie
erfolgreich mit
ihrem Druck-Spiel zu sein und haken noch mehr nach, ist das Ergebnis
wenig
erfreulich. Sind die Eltern tatsächlich in
der Lage, das Geschenk des Kindes wahrzunehmen und sich daran zu
erfreuen, wird
das Ergebnis zu beider Freude sein.
Ich bin ein Kind von
40 Jahren und
will jetzt Abstand zu meinen Eltern haben.
Wie lange das dauern
wird? Keine Ahnung. Jedoch so lange,
bis ich wieder Sehnsucht nach meinen Eltern verspüre. Je mehr
Druck sie auf
mich ausüben, desto mehr ziehe ich mich zurück. Gerne
möchte ich mich wieder
schenken. Ich warte darauf, dass der Druck verschwindet, oder mir
nichts mehr
ausmacht.
Die Zeit der
Verpflichtung ist
vorbei. Ich habe erkannt, wie viele Geschenke ich meinen Eltern
gebracht und
gemacht habe. Unter dem Strich ist die Rechnung ausgeglichen.
Nun lebe ich mein
Leben. Es hat
lange genug gedauert, alle Sichtweisen meiner Eltern zu erkennen und
meine evtl.
abweichende Sichtweisen zu finden.
Natürlich
haben meine Eltern
jetzt Probleme mit mir. Wo ist das brave Kind geblieben? So eine große
Veränderung
fordert eine Erklärung. ’Kind, bist du
in einer Sekte?’
Nein, bin ich nicht.
Das Kind, das
den Eltern so viele und auch zu viele Fragen gestellt hatte, hat selbst
die
Antworten erarbeitet - und lebt jetzt danach. Ich werfe meinen Eltern
nichts mehr
vor. Nun bin ich bereit und habe
‚Dankeschön’ gesagt.
Allerdings habe ich
inzwischen
auch ‚Nein-Sagen’ gelernt und damit kommen meine
Eltern gar nicht klar. Sie
sind und waren es gewohnt z.B. auf ihre Fragen umfassende Antworten zu
erhalten. Sie
können nicht verstehen, dass ich auf ihr Verhör sehr
kurz angebunden antworte,
oder auch mal gar nicht.
Sie fühlen
sich zurückgewiesen, verletzt, oder respektlos behandelt. Nun
ist die Frage – wer verletzt hier wen? Das Kind, das unter
Druck gesetzt wird durch Forderungen, oder die Eltern, die sich
zurückgewiesen
und vergessen fühlen?
Es ist letztendlich
egal. Jeder
sollte sich um seine Wahrnehmung kümmern. Welche Verletzungen
füge ich mir
selbst zu, weil ich denke das Jemand von mir denkt... und so weiter.
Eine klammernde
Mutter wird dem
Kind mit aller Macht ihre Verletzungen vor Augen führen. Sie
hat eine besondere
Macht über das Kind und setzt diese auch mehr oder weniger
unbewusst ein. Sätze
wie ‚Denkst du denn gar nicht an mich?’, ‚Ich
habe früher meine Eltern einmal in der Woche besucht!’
sollen dem Kind zeigen, wie sehr sie sich nach ihrem Kind verzehrt.
Eine
leidende Mutter spannt ihr ganzes Können, und ihre ganze
Umgebung ein, um dem
Kind seine Schuld klar zu machen und mit der Erlösung zu
winken.
Und wieder wird
Druck ausgeübt.
Jetzt von allen Seiten. Das Weinen, oder die Vorwürfe der
Mutter, der Zorn des Bruders, die
Ohnmacht des Vaters. Wer auch immer Verfügbar ist, teilt dem
Kind das Leid der
Mutter und besonders die Schuld daran, mit.
Hier eine kleine Auswahl der üblichen
Schuldzuweisungen:
- Es sind doch deine Eltern!
- Du sollst deine Eltern ehren!
- liebst du deine Eltern etwa nicht?
- versöhne dich mit ihnen, du weist nicht wie lange sie noch
am leben sind.
- usw.
Ja, es sind meine Eltern und ich bin ihr Kind.
Ja, ich ehre meine Eltern durch meine Dankbarkeit und durch mein
Verzeihen.
Ja, ich liebe meine Eltern.
Ja, ich werde mich zu meiner Zeit wieder mit ihnen in Verbindung
setzen, auch über meinen oder ihren Tod hinaus.
Aber:
- Ich verantworte mein Leben selbst.
- Wo bleibt die Akzeptanz und der Respekt für mich?
- Wahre Liebe fordert nichts – sie schenkt sich.
- Ich lebe meine Wahrheit und sollte ich länger brauchen als
meine Eltern leben, ist es auch ok. Meine Eltern sind ein Teil von mir
und ich ehre und liebe diesen Teil in mir.
Der tief sitzende
Schmerz des
Kindes liegt in der fehlenden Wertschätzung, Dankbarkeit und
Achtung der
Eltern. Woran soll es die Liebe der Eltern erkennen? Vor lauter Schmerz
der
Eltern bleibt dafür
k e i n
Raum? Wie auch immer. Dadurch das ich
erkannt habe, welcher Schmerz in mir lebt, kann ich ihn
heilen.
Wie?
Ich nehme mich in
den Arm und gebe
mir das, was ich mir von meinen Eltern wünsche. Die
Schuldfrage lasse ich außen
vor. Nur die Liebe hat Bestand. Beschenke ich mich selbst mit
Wertschätzung,
Dankbarkeit und Achtung, entfällt die Forderung an meine
Eltern dies zu tun.
Dadurch gebe ich der Liebe zu meinen Eltern mehr Raum.
Das ‘Happy End’? Das wird zu
seiner Zeit kommen – oder auch nicht. Einzig meine Gedanken
sind wichtig. Nur
diese kann ich selbst beeinflussen. Fokussiere ich die Liebe, ohne
Forderungen
und Bedingungen, fühle ich große Dankbarkeit in mir
wachsen - die Schmerzen hören auf.
Alles Hässliche weicht und in
mir
ist Friede.
Ach ja, und was ist mit den "armen
Eltern"?
Sie haben die gleiche Chance!
Auch sie können sich dafür
entscheiden, alles aus dem Fokus der Liebe zu betrachten. Auch sie
können sich
selbst in den Arm nehmen und sich selbst alles das schenken, was sie
von dem
Kind fordern.
Falls sie das tun,
steht einem
‚Happy End’ wirklich nichts mehr im Wege!
Ich bin
Brigitte CH'AN*KA*RII und
das ist meine Wahrheit.
Nachtrag 2012:
Nach etwa drei
konfliktreichen Jahren hat das 'Happy End' angefangen.
Ich erkannte, dass sie mich gar nicht kennen lernen konnten,
weil ich mich ihnen so angepasst hatte. Ich bin ihnen oftmals immer
noch fremd. Immer wieder habe ich mich ihnen erklärt und sie
begannen eine ihnen völlig fremde Weltsicht kennen zu lernen.
Inzwischen finden sie das, wofür ich einstehe,
auch in den von ihnen geschätzten Fernsehsendungen wieder und
so wächst unsere gemeinsame Basis mehr und mehr.